Abschied...
Es begann mit dem Gefühl einer beginnenden Erkältung. Schnell stellte ich fest dass es das nicht war und fuhr noch in derselben Nacht ins Krankenhaus. Dort, und ich war da nicht das erste Mal, wurde ich mit Berücksichtigung meiner Krankenakte, lapidar an einen Hautarzt verwiesen. Es war 1 Uhr und ich hätte sieben bis acht Stunden der Dinge verharren sollen? Kein Medikament, keine Rücksichtnahme der Vorgeschichte, einfach nach hause geschickt. Ich rief meine Eltern an und bat meine Mutter mit mir nach Großhadern zu fahren, in der Hoffnung hier auf Hilfe zu stoßen.
Inzwischen hatte ich eine Temperatur von 39,6, Schüttelfrost und Schweißausbrüche. Mir war klar, das Implantat muss raus! Nur wie mach ich das den Ärzten klar? Die, die den Verlauf bis jetzt kannten haben mich weggeschickt, mir nicht geglaubt… wie kann ich nun erwarten das ich an kompetentere gerate?
Beim Versuch den Grund meines Fiebers zu erklären und das es nur an dem Implantat liegen kann, behandelte man mich wie immer. Als Patient kann man nichts wissen wenn man nicht studiert hat! Jahrelanges leiden und selbst erlebtes zählt nicht mehr. Man bot mir eine stationäre Aufnahme an und würde mir Antibiotika geben bis man das hat was anschlägt. Warum bitte schön soll ich eine Behandlung über mich ergehen lassen die zwei Mal schon gemacht wurde und nicht anschlug? Ich lehnte ab und fragte nach Medikamenten für zu hause. Als ich dann noch erwähnte das ich Tramal, Novalgin und Ibu 800 zuhause habe und man sich es sparen kann mir Ibu 600 mit zu gebe, sagte man mir: „Wenn Sie sich so gut selbst medikatieren können brauchen Sie uns ja nicht“ und ich war ruckzuck alleine mit meiner Mama in dem Raum. Die bereits gesetzte Kanüle zog ich mir selbst und verließ Großhadern.
Meine Mama fragt mich was ich gedenke tun zu wollen. Meine Worte müssen für Sie wie eine Ohrfeige gewesen sein, den ich sagte ihr: „Nichts! Ich werde mich ins Bett legen und drauf warten das ich Tod umfalle.“
Inzwischen war es 5 Uhr als ich bei mir ankam, und versicherte meiner Mama dass ich gleich als erste bei meinem Hausarzt bin und Ihn um Rat fragen werde. Gesagt getan. Um 20 vor acht, war ich die erste die vor der Tür der Praxis stand und auch als erste ins Sprechzimmer durfte. Ich schilderte die Vorkommnisse der vergangenen Nacht. Er vereinbarte einen Termin mit dem Chefarzt des ersten Krankenhauses und ich sollte um 10 Uhr dort sein. War ich auch, und es hieß nur er würde schon operieren, aber er bräuchte das OK eines Dermatologen und ich solle doch nach München fahren. Wieder zu hause rief ich meine Eltern an und teilte mit was mir geraten wurde. Papa wurde erst an der Schulter operiert und musste zur Krankengymnastik und Ergotherapie, sonst hätten Sie mich gleich nach München gebracht. Ich war seit über 30 Stunden auf den Beinen und sagte dass ich selber auf keinen Fall fahren kann und mich jetzt erst mal ins Bett lege. Jeder Lidschlag fühlte sich normal an, das mit jedem eine volle Stunde verging realisierte ich nicht mehr. Das Telefon klingelte und ich dachte nur, lasst mich einfach schlafen… Meine Mama war dran und fragte wann ich jetzt nach München will. „Eigentlich gleich“, 30 Minuten später klingelte es an der Türe, und ich fand mich liegend auf dem Rücksitz meiner Eltern wieder. Jeden ruck empfand ich als würden wir gerade erst losfahren, bis ich den Satz „Wir sind da!“ vernahm. Verwundert richtete ich mich auf, es schneite. Große weiße Flocken fielen zu Boden, und der Schüttelfrost ließ mich wirken, als wäre ich schon Stunden bei diesem Wetter draußen unterwegs, und nicht eben aus einem beheizten Auto gestiegen.
Ich trottete ohne darüber nachzudenken meinem Papa hinterher, und wieder kam dieser Gedanke in mir hoch, nur diesmal verdrängte ich ihn nicht sofort.
Dem Gesichtsausdruck des Arztes entnahm ich das ich auch hier falsch bin. Was er dann auch mit dem Satz „Was wollen Sie bei mir ? Sie gehören in die Chirurgie!“ bestätigte. Mir liefen die Tränen und ich versank in meinen Gedanken die eigentlich keine waren, und ließ zum ersten mal die Frage nicht nur hochkommen sondern auch zu, ist das die Strafe dafür was ich getan habe?
Nicht wirklich anwesend hörte ich aus der Ferne den Arzt sagen „…Sepsis…..die verreckt mir hier sonst….“ Obwohl er direkt neben mir saß. Meine Mama strichte mir über die Stirn und ich war wieder das kleine Kind dem sie so zeigte dass sie immer da ist. Leider musste ich nochmal zu Fuß zum Auto um von meinen Eltern in die chirurgische Notaufnahme gebracht zu werden.
Auf der Liege wartend liefen wieder die Tränen, unaufhörlich, und Mama strich mir wieder über die Stirn und meinte alles wird gut.
Nur war ich nicht mehr das kleine Kind, sondern eine, eigentlich, erwachsene Frau, die weiß das nicht immer alles wieder gut wird, und erinnerte mich an das versprechen das ich ihr einst gab, und drückte Ihre Hand. Immer wieder vernahm ich jemanden um mich rum wuseln und irgendetwas sagen, aber so abwesend wie in diesem Moment war ich noch nie. Versuchte mein Körper den Schmerz zu zeigen den meine Seele hat, Ihn aber nicht fühlte? Ich fühlte nur die an währende Hitze die meinen Geist vernebelte für das wesentliche. Sie blendete die Realität um mich herum Stück für Stück aus, und ich sah klar und deutlich das wirklich wesentliche…
Was in meinem Leben war richtig, und was war falsch!
Meinen Weg zu gehen war eindeutig richtig, auch wenn ich nach außen hin ihn einige Male in Frage stellte. Auch die Fragen welche Entscheidungen und Aktionen/Reaktionen ich so in meinem Leben getroffen habe, zogen an mir vorbei. Immer mit dem Nachsatz „Was wäre gewesen wenn…“
Mir wurde kalt, wieder der Schüttelfrost? Ich hörte Wasserplätschern. „Wenn das nicht voll ist macht das nur krach…„ und sah eine Schwester die in ein Gerät das neben meinem Bett stand Wasser schüttete. Eine Matte wurde mir unter meine Bettdecke geschoben durch die das eben aufgefüllte Wasser heruntergekühlt floss. Über meine Beine wurde Alkohol geschüttet, und kleine Beute gefüllt mit Crush-Eis in mein Bett gepackt. Immer wieder versank ich in einer schwarzen Leere, die, einer Disco gleicht die nur durch die bunten Lichteffekte erhellte. Nur waren diese bunten Lichteffekte meine Fragen die, so schien es mir, mir um die Ohren flogen. Ich fühlte mich in einzelne Szene zurück versetzt, aus denen ich immer und immer wieder von dem Gewusel der Schwestern herausgerissen wurde. „Ohh, Sie hat über 41 °C Fieber“. Ein kurzer Blick in die Wirklichkeit, drei Schwestern standen um mein Bett, meine Wadenwickel wurden erneut mit Alkohol getränkt, die Crush-Eis Pakete, die inzwischen geschmolzen waren, erneuert, das Gerät wurde überprüft, ein Gefummel an meiner Infusionsflache, und der Tonfall der Schwester klang überrascht und man spürte eine Besorgnis in ihrem Satz mitschwingen. So als würde man nicht verstehen dass ich bei dem ganzen Aufgebot an Kühlung immer noch diese Körpertemperatur habe. Eine besorgniserregende routinierte Hektik, und meine Augen schlossen sich wieder, und wie in einem Sog zog es mich wieder in meine schwarze Leere.
Was war Traum, was war Real, und was war Wahn? Alles fühlte sich gleich an, nichts an dem man erkennen hätte können das ich mich in einem Krankenbett in einem Krankenhaus befand. Und immer wieder der Hauch des Ungewissen nicht unterschieden zu können, losgelöst von allem Sein, ohne Angst oder Furcht, nicht hier sein, nicht dort sein. Nirgends sein!
Erholsamer Schlaf war das keiner, nicht mal Schlaf, aber was war das dann? Diese zwölf Stunden kamen mir wie eine gefühlte Ewigkeit vor, die mit einem Wimpernschlag verflogen. Kein Gefühl mehr für Zeit und Raum, erst das erwachen der Klinik und deren Alltag holte mich aus diesem Irrsinn soweit zurück, dass ich in der Lage war nicht nur ein gequältes Stöhnen von mir zu geben, sondern ganze Sätze.
In der Dämmerung sagte man mir das ich für das MRT um 11 Uhr vorgesehen bin, mit diesem Unterton, ich solle mich doch dann bitte auf dem Zimmer befinden. Selbstverständlich werde ich sofort aus meine Bett fliehen und die Gegend erkunden, um noch mehr Eindrücke für meinen Trip auf dem ich befand zu sammeln. Als ich nach der Toilette fragte, und man mir erklärte das ich in dem einzigen Zimmer untergebracht bin das noch kein eigenes hat, liefen schon wieder die Tränen. Ich musste über den kompletten Gang der Station ans andere Ende. Innerlich fühlte es sich an als würde ich zu einer nicht enden wollenden Reise aufbrechen ob wohl ich wusste das es nur 20 Meter waren. In Pulli und Unterhose, mit meinem Infusionsständer tapste ich Barfuß los, in der Hoffnung rechtzeitig anzukommen.
Mit einem Rollstuhl wurde ich zum MRT gefahren, der Wind wehte durch mein Gesicht wie eine Sommerbrise. Sehr lethargisch und teilnahmslos ließ ich mich irgendwo im gefühlten nirgendwo abstellen. Ich nahm alles wahr was um mich geschah, aber es war nicht meins, es war fremd. Es war nicht mein Leben, irgendwie….
Mein Fieber schien sich bei 40 °C eingependelt zu haben, ich fror, und wurde gebeten dieses Hemd anzuziehen. Nun musst ich mich bäuchlings auf diese Pritsche legen, meine Brüste in dafür vorgesehen Halterung hängen, und zum ersten Mal seit der letzten zwei Tage spürte ich meinen Körper wieder, denn es schmerzte. Ein brennen und ziehen in meiner linken Brust, die inzwischen aussah als hätte sie ganz allein im Fight Club mitgespielt. Der Schmerz verflog so schnell wie er auch kam und man bepackte mich mit Decken und wickelte alles ein damit ich nicht friere. Kurz bevor ich aufgeben wollte weil sich mein Rücken mit einem stechen zu Wort meldete, merkte ich das jemand sprach, nur verstand ich kein Wort da ich diesen doppelten Schallschutz noch auf hatte. Mit einem „ich kann nix hören“ wurde ich davon befreit und mit dem Satz „Der Fahrdienst holt Sie gleich ab“ verabschiedet. Gegen 14 Uhr überfiel mich eine Panik, ich klingelte nach einer Schwester. Ich, für mich, war für meine Verhältnisse eigentlich recht ruhig, auf andere muss es aber eher hysterisch gewirkt haben, denn der entsetzte Blick sagte alles. Ich schmiss die Decke zur Seite zerrte meine Pulli hoch. „Keiner sagt mir was das ist, ich habe seit zwei Tagen über 40 °C Fieber und keiner hilft mir.“ Ich versuchte diesen Satz so emotionslos und ruhig wie möglich zu sagen, da ich mich kenne, und ich schnell mal sehr laut werden kann. Leider schmetterte ich Ihn in einem verheultem schreien der Schwester entgegen. Diese Antwortet mir zu meinen erstaunen sehr ruhig. „Dann rufen Sie jetzt Ihre Krankenkasse an, und sagen denen dass man Ihnen hier nicht hilft! Wäre unser alter Chef noch da, wären Sie gestern schon auf dem OP-Tisch gelegen!“ Während Sie das sagt packte Sie mich wieder unter die Decke und verließ das Zimmer. Sehr ungläubig und fassungslos spürte ich die Wut in mir hochkochen, was mir sagt das ich gerade in der Realität bin. Es ist Freitagnachmittag, als wenn ich JETZT noch jemanden bei der IKK erwische. Ich rief mein Eltern an und schilderte das gerade geschehene. Mama versicherte mir dass sie sich drum kümmern. Keine fünf Minuten später ging die Türe auf und die Schwester, gefolgt von einem Rudel Ärzte, betrat mein Zimmer mit den Satz: „Das ist der Oberarzt, einer von der alten Garde.“ Dass Sie damit versucht mir zu verstehen zugeben, dass der jetzt handeln wird, hab ich in dem Moment nicht begriffen. Ich erinnere mich nur noch das der Arzt mich bat ihn nicht anzuschreien da er nichts dafür kann. Ich hingegen versucht mich damit zu entschuldigen, das ich von drei Ärzten in zwei Krankenhäuser abgewiesen wurde und mit meinen Kräften am Ende bin und so eine Nacht wie die zwei letzten nicht nochmal mitmache. „Wir klären das noch mit der Gyn. ab, ihnen wird auf jeden Fall geholfen!“ und das Rudel verließ das Zimmer. Aha! Genauso schlau wie vor fünf Minuten im selben Moment klingelte mein Handy. Meine Eltern. Mama versuchte mich zu beruhigen und sagt mir dass Papa mit denen telefoniert hat und ich heute noch operiert werde. 30 Minuten später war ich auf dem Weg in den OP, begleitet von einer Schwester die meine Hand hielt. Bei der Übergabe an das OP-Team bat sie darum lieb mit mir zu sein weil ich am Ende meiner Kräfte bin und schon einiges hinter mir hätte. Sie legte Ihre frei Hand auf meine Schulter und mit sanften druck in beiden verabschiedete sie mit: „Alles wird gut!“ Ungläubig und verwirrt sah ich Ihr durch die sich schließende Tür hinterher. Noch nie wurde ich von einer Schwester bis zur OP-Schleuse begleitet. Hatte das was zu bedeuten? Geistesabwesend kletterte ich auf die OP-Liege. Alles war düster und klein, und wieder dieses Gefühl es sei nicht wirklich. Während sich ein Oberarzt, ein Arzt und noch ein Assistenzarzt der Anästhesie vorstellten, stand der Operateur in der Tür und teilte mir mit, dass er noch auf den Rückruf der Gyn. warte da er deren Meinung noch hören möchte. Beim verkabeln für das EKG stellte sich noch ein Professor mit einem weiteren Assistenzarzt der Chirurgie vor. Der Operateur war der Oberarzt meiner Station. Mein kreisender Blick sagte mir das hier was nicht stimmt. Noch nie habe ich soviel Leute in einem OP gesehen. Entweder waren die alle fruchtbar neugierig, oder es war doch ernster als man Vermutete. Ich wollte noch fragen warum hier so viel hochgradige Ärzte sind, und beim warum wirkte die Narkose. Auch wenn sich die Tage wieder häufen an denen ich lieber Tod wäre als am Leben, frage ich mich, gibt es wirklich was nach dem versagen unserer Körperfunktionen. In dieser Nacht war ich dem Tod näher als irgendwann sonst, bereit zu gehen. Je stärker das Fieber stieg umso deutlicher stieg meine geistige Wahrnehmung, das was ich gelebt hatte, und das, was wohl mal richtig Scheiße von mir war.
Bei einer Narkose macht man die Augen zu, und wieder auf, dazwischen ist nichts! Aber hier, kein Zeitgefühl mehr, nichts an dem man sich orientieren könnte, nur Emotionen und erlebtes bzw. gelebtes. War das der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl, das der Versuch, mich selbst aus einer Situation zu retten, mehr Schaden angerichtet hat als das er mir von Nutzen war, und das die Antwort darauf?
Es gibt so vieles zwischen Himmel und Erde was sich nicht erklären lässt! War das eins davon? Man wir niemals eine Antwort erhalten, weil es einfach keine gibt! Auch wenn man noch so oft fragt! Und schickte man mir einen Engel der mir helfen soll genau das zu lernen? Da ich darauf keine Antwort bekommen werde, lasse ich es dabei. Vielleicht in einem nächsten Leben?
feuerfluegel am 16. Dezember 13
|
Permalink
|
0 Kommentare
|
kommentieren